Sie vermuten, dass der Vermieter Ihnen den Stuhl vor Ablauf des Mietvertrags vor die Tür Ihres Ladens, des Büros oder der Werkstatt stellen will? Oder die Kündigung ist bereits da? Hier lesen Sie das Wichtigste über Ihre rechtliche Situation.
Ihr Vermieter will Sie loswerden?
Prinzipiell gibt es vier Wege, wie der Vermieter Sie loswerden kann:
- Er schließt mit Ihnen eine Aufhebungsvereinbarung ab (z. B. Geld bei Räumung).
- Er wartet, bis der Zeitmietvertrag abgelaufen ist.
- Er kündigt ordentlich (geht nur bei einem unbefristeten Mietvertrag).
- Er kündigt Ihnen außerordentlich (geht bei befristetem und unbefristetem Mietvertrag, aber nur „mit gutem Grund”).
Der erste Fall ist Verhandlungssache und soll uns hier nicht interessieren. Informationen zum zweiten Fall gibt es im Beitrag „Verlängerungsklausel und Verlängerungsoption“. Hier erklären wir die außerordentliche und auch die ordentliche Kündigung eines Gewerbemietvertrags durch den Vermieter – und wie der Mieter reagieren kann.
Befristeter oder unbefristeter Mietvertrag?
Ordentlich kündigen kann Ihr Vermieter Ihnen nur im eher seltenen Fall eines unbefristeten Geschäftsraummietvertrags. Eine Begründung muss er dafür nicht anführen. Er muss aber die Kündigungsfristen einhalten.
Entweder sind diese im Vertrag geregelt, oder es greifen die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 580a Abs. 2 BGB. Die Kündigung muss bis zum dritten Werktag eines Quartals zum Ende des Folgequartals erfolgen. Effektiv bleibt Ihnen dann also ein halbes Jahr bis zum Auszug. Wie gesagt: Im Vertrag können aber auch ganz andere Fristen vereinbart werden – dann können Sie sich nicht auf das Gesetz berufen. Auch nicht, wenn die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist sehr kurz ist.
Der sehr viel häufigere Fall eines befristeten Geschäftsraummietvertrags bietet vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit keine Möglichkeit, ordentlich zu kündigen. Abgesehen von einer gütlichen Einigung (Auszug gegen Ablösesumme) hat der Vermieter zwei Chancen, Sie loszuwerden:
- Der Vermieter kann nach einem Grund für eine außerordentliche Kündigung suchen.
- Oder er kann schauen, ob sich das Mietverhältnis aufgrund vertraglicher Formfehler oder anderer Besonderheiten doch noch als unbefristet darstellen lässt. Dann kann er Ihnen ordentlich kündigen – dazu gleich mehr.
Gründe für eine außerordentliche, fristlose Kündigung
Außerordentlich kündigen kann der Vermieter Ihnen „aus wichtigem Grund” – das steht in § 543 BGB oder wenn ein Umstand eintritt, der im Mietvertrag als Anlass für eine außerordentliche Kündigung definiert wurde.
Eine außerordentliche Kündigung ist immer fristlos.
Ein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes besteht, in schönstem Paragraphendeutsch ausgedrückt, wenn „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann”. Auf Normaldeutsch: Der Vermieter muss nachweisen können, dass Sie als Mieter unzumutbar geworden sind und es deshalb nur angemessen ist, wenn er Sie schon vor Ablauf des Vertrags rauswirft.
Das Zitat klingt schwammig, aber im Gesetz werden typische wichtige Gründe benannt. Und es gibt viele Urteile dazu – eine einigermaßen „gefestigte Rechtsprechung”.
- Von einem angemessenen Grund für eine außerordentlich Kündigung kann man beispielsweise ausgehen, wenn der Mieter ständig mit schweren Baumaschinen über den zum Befahren nicht geeigneten Hof brettert, denn dann gefährdet er das Mietobjekt.
- Oder wenn er ohne Einwilligung die Räume einem dritten Unternehmen überlasst.
- Vor allem aber ist natürlich Verzug der Mietzahlungen ein wichtiger Grund. Hier sind die Bestimmungen recht detailliert: Wenn zwei Mieten nacheinander nicht oder nur zum kleinen Teil bezahlt wurden, oder die Mietschulden insgesamt die Höhe von zwei Monatsmieten erreicht haben, kann der Vermieter fristlos kündigen. (Wurde der Mietrückstand samt Nebenkosten bezahlt, bevor die Kündigung zugeht, ist sie damit jedoch hinfällig.)
Manchmal ist im Vertrag auch fest vereinbart, dass bestimmte Umstände eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen oder den Mieter zur Räumung der Räumlichkeiten verpflichten: Ein substantieller Verstoß gegen eine Betriebspflicht etwa. (Wenn eine Betriebspflicht vereinbart ist und die Miete – wie nicht selten – vom Umsatz abhängt, hat der „Nichtbetrieb” ja unmittelbare Auswirkungen auf das Interesse des Vermieters, Mieteinnahmen zu erzielen.) Die vereinbarten außerordentlichen Kündigungsgründe müssen im Vertrag konkret benannt sein und normalerweise ein Verschulden voraussetzen.
Voraussetzung: Abmahnung oder Abhilfefrist
Allerdings muss Ihr Vermieter Ihnen in den meisten Fällen vor einer außerordentlichen Kündigung noch eine Chance geben – er muss Sie abmahnen oder Ihnen eine Frist setzen und Sie gleichzeitig auffordern, die beanstandete Vertragsverletzung abzustellen.
Diese Pflicht entfällt normalerweise nur, wenn …
- der Mieter eine sehr schweren Pflichtverletzung begangen hat (etwa einen tätlichen Angriff auf den Vermieter).
- der wichtige Grund offensichtlich nicht abgestellt werden kann
- die gesetzlichen Kriterien des Mietrückstandes erreicht sind.
Eine außerordentliche Kündigung muss mit einer angemessenen Frist erfolgen. Die sollte – grob über den Daumen – etwa zwei Wochen betragen.
Ordentliche Kündigung auf Umwegen: Formfehler im Vertrag
Wenn ein Mietverhältnis schon länger als ein Jahr besteht, ohne dass ein formgerechter Vertrag existiert, ist es unbefristet. So steht es im Gesetzbuch ( § 550 BGB). Und unbefristete Mietverträge können ordentlich gekündigt werden.
Wenn der Vermieter also einen Fehler im Mietvertrag aufspürt, kann er Ihnen ordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist dafür ist in § 580a Abs. 2 BGB geregelt – spätestens am dritten Werktag eines Quartals zum Ende des Folgequartals. Dann sind Sie also nach einem halben Jahr und vermutlich lange vor dem vermeintlichen Ende der Vertragslaufzeit draußen. Voraussetzung ist allerdings, dass das Mietverhältnis schon mindestens seit einem Jahr besteht.
Wann ein Formfehler am Mietvertrag vorliegt und wann nicht, das ist ein mehr als komplexes Thema – und bereits Gegenstand vieler, vieler Prozesse gewesen. Wenn der Vermieter Ihnen damit kommt, brauchen Sie ohnehin einen Rechtsanwalt, der sich mit Mietrecht und besonders Geschäftsraummietrecht auskennt. Beschränken wir uns deshalb auf ein paar Hinweise.
- Gern genommen werden fehlende oder fehlerhafte Unterschriften. Ein Formfehler kann es sein, wenn eine GbR Mieter ist, jedoch nicht alle Gesellschafter unterschrieben haben. Oder wenn die Unterschrift generell fehlt. Allerdings – eine Unterschrift in der falschen Zeile ist per se noch kein Grund dafür, dass der Mietvertrag unwirksam ist (KG, 08.01.2014, 8 U 132/12)
- Fehlende Vertragsinhalte sind ein weiterer Dauerbrenner: Sie liegen dann vor, wenn das Mietobjekt, die Höhe der Miete, die Mietdauer und die Vertragsparteien im Vertrag nicht genau bezeichnet sind. Das gilt auch dann, wenn nach Vertragsschluss wesentliche Dinge geändert wurden, ohne dass dies schriftlich festgehalten wurde. Für den Bundesgerichtshof reichte es, dass die Zahlungsweise der Miete neu vereinbart wurde (von vierteljährlich auf monatlich), ohne dass dies schriftlich fixiert wurde. Schon war der Mietvertrag unwirksam! (BGH, 19.09.2007, AZ XII ZR 198/05)
- Selbst Dinge wie Heftklammern oder Ringbindungen werden juristisch bedeutsam – denn eine Vertragsurkunde liegt nur vor, wenn alle wesentlichen Regelungen im Vertragswerk fest verbunden sind. Lose Blätter, Vereinbarungen per E-Mail oder fehlende Grundstückspläne, auf die der Vertrag Bezug nimmt, reichen für Formfehler mit den genannten Folgen.
Allerdings kann der Vermieter nicht selbst in böser Absicht einen Formfehler herbeiführen, um sich später darauf als Kündigungsgrund zu berufen. Wenn Sie glaubhaft machen können, dass etwa eine mündliche Absprache zu veränderten Mietbedingungen nur deshalb nicht schriftlich fixiert wurde, um durch diesen Formfehler das Mietverhältnis zu beenden, dann hat der Vermieter gegen „Treu und Glaube“ verstoßen.
Gekündigt – und nun?
Egal ob ordentlich oder außerordentlich gekündigt: In jedem Fall brauchen Sie nun einen Rechtsanwalt, der sich mit Mietrecht und speziell Gewerbemietrecht auskennt.
Im Prinzip ist es so: Wenn der Vermieter Ihnen unberechtigt kündigt, brauchen Sie den Laden, das Büro oder die Werkstatt nicht zu räumen. Dann können Sie einer Räumungsklage – die als nächster Schritt erfolgen muss – schließlich gelassen entgegensehen. Im Zweifel ist der Vermieter dann Ihnen gegenüber schadenersatzpflichtig.
Nur: Die Frage, wie Ihre Chancen stehen, können Sie selbst nicht beantworten, wenn Sie nicht gerade Experte für Gewerbemietrecht sind. Deshalb: Anwalt anrufen. Im schlimmsten Fall zahlen Sie die Kosten für eine Erstberatung. Das ist immer noch billiger als ein Notumzug innerhalb kürzester Zeit, weil die rechtliche Situation eben doch nicht so war wie gedacht …
Nachtigall, ick hör Dir trapsen …
Der Anruf beim Rechtsanwalt oder der Rechtsanwältin empfiehlt sich auch dann, wenn Sie immer mehr das dumpfe Gefühl beschleicht, dass Ihr Vermieter Ihnen lieber heute als morgen beim Verpacken Ihrer Einrichtung zusehen würde. Eine genaue Prüfung Ihres Mietvertrags zeigt beizeiten, ob ein Risiko besteht. Außerdem lassen sich viele Probleme abstellen, wenn sie erst einmal bekannt sind. Und nicht zuletzt sollte man die psychologische Wirkung nicht unterschätzen. Man spricht ja nicht umsonst von „Rechtsbeistand”. Mit anwaltlicher Unterstützung im Rücken können Sie möglichen Konflikten sehr viel gelassener entgegenblicken.
Lesetipp: Die Räumungsklage aus Vermietersicht
Mit der Frage, wann eine Räumungsklage aus Sicht des Vermieters sinnvol ist, wie sie abläuft und welche Kosten dabei entstehen können, befasst sich das Portal Mietrecht.com.